Araber in Berlin und Brandenburg

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Die ersten Araber in Brandenburg und in Berlin

Der erste Araber, der nach Brandenburg kam, war aus Spanien und hieß Ibrahim ibn Ya´qub al-Isra´ili. Er stammte aus Tortosa, einer Stadt in Katalonien, und gehörte möglicherweise einer diplomatischen Mission an, die Kalif al-Hakam II., der Herrscher von al-Andalus, an den Hof des deutschen Königs und römischen Kaisers Otto I. entsandte. Dass ein jüdischer Araber der Gesandtschaft angehört hätte, wäre keineswegs erstaunlich gewesen, denn al-Andalus gründete seine politische Macht sowie seine wirtschaftliche und kulturelle Blüte unter anderem auf das tolerante Neben- und Miteinander von Muslimen und Juden.
Ibrahim ibn Ya´qub al-Isra´ili, in dem man allerdings auch einen Kaufmann vermutete, der eigenen geschäftlichen Interessen nachging, reiste jedenfalls im Jahre 965 über Frankreich, die Niederlande und Belgien nach Magdeburg - hier traf er Otto I. -, von dort zum Obotritenfürsten Naccon nach Mecklenburg, sodann zurück über Magdeburg nach Merseburg und weiter nach Böhmen und wahrscheinlich auch Polen, um schließlich über Italien in die Heimat zurückzukehren. Aus seinem Bericht ist zu entnehmen, dass Ibrahim auf dem Wege von Magdeburg nach Mecklenburg in der Gegend zwischen Havelberg und Werben, vermutlich bei Quitöbel, über die Elbe ging und anschließend die Prignitz durchquerte.

Es dauerte dann fast 900 Jahre, ehe nachweislich wieder Araber in die Mark kamen. Der Grund dafür waren Reformbemühungen in Ägypten und dem Osmanischen Reich, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts von deren Herrschern eingeleitet wurden und auf die Modernisierung von Staat und Gesellschaft zielten.
Zu diesem Zwecke hatte Mohammed Ali in Ägypten 1809 damit begonnen, Studenten in europäische Länder, namentlich nach Italien, Frankreich und Großbritannien zu entsenden, die sich dort besonders mit den europäischen Sprachen, den technischen Wissenschaften sowie mit der Human- und Veterinärmedizin vertraut machen sollten. Seine Nachfolger setzten diese Praxis fort, und 1849/50 schickte Abbas I. die ersten Studenten nach Deutschland; sie sollten in München vor allem Medizin belegen.
Nach Berlin kam die erste ägyptische Studentenmission 1853/54; sie umfasste neun junge Leute. Bis auf ihre Namen und ihre Studienfächer, nämlich Medizin, Pharmazie und "militärische Wissenschaften", ist jedoch kaum etwas über sie bekannt geworden.
Erst mehr als fünfzig Jahre nach dieser Gruppe kamen wieder ägyptische Studenten nach Berlin.
Informationen über das seinerzeit fortgeschrittene Europa zu sammeln, gehörte zum Bemühen derer, die im Osmanischen Reich die sogenannten Tanzimat-Reformen unterstützten und vorantrieben, welche 1839 in Gang gesetzt worden waren. Zu ihnen zählten Reisende, die besonders westeuropäische Länder besuchten und darüber entweder in vertraulichen Memoranden den Herrschenden oder in gedruckten Büchern der Öffentlichkeit Bericht erstatteten.
Unter den wenigen, die auch Deutschland besuchten, war der aus Beirut stammende Salim Bustrus (1839-1883). Zwischen März und Oktober 1855 unternahm der damals Sechzehnjährige eine Reise, die ihn nicht nur nach Italien, Frankreich, Großbitannien, Belgien, Österreich-Ungarn und Sachsen führte, sondern auch nach Berlin und Potsdam. Er war damit nach Ibrahim ibn Ya´qub al-Isra´ili vermutlich der zweite Araber, der Brandenburg bereiste und darüber - ein Jahr später - berichtete.
Erst mit dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71), an dem auch Araber teilgenommen hatten (algerische Schützen, sogenannte Turkos), kamen wieder Araber nach Berlin, diesmal allerdings als Kriegsgefangene. Ein Denkmal auf dem Garnisonfriedhof am Columbiadamm erinnert an sie.

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Reisende und Lektoren

Nur wenige Jahre nach der Gründung des Reiches besuchte der Ägypter Nakhla Salih (?-1899) dessen Hauptstadt. Der Bericht darüber erschien 1876 in Kairo. Er rechnete Berlin "zu den schönsten Städten Europas". Im Unterschied zu anderen Städten empfand er Berlin aber "wie eine Ödnis ... weil es trotz seiner Größe und der Vielzahl der Märkte so wenig Einwohner hat".
Als sein Landsmann Mohammed Amin Fikri (1855-1899) 24 Jahre später die Reichshauptstadt aufsuchte, hatte Berlin anderthalb Millionen Einwohner. Fikri, der sich nur 6 Stunden in Berlin aufhielt, nannte die Stadt die "drittgrößte Europas".
Wesentlich länger blieb Hassan Taufiq (1862-1904) in der Stadt, der darüber in einem Büchlein berichtete, das 1890 in Kairo erschien; er wurde nämlich 1887 als Lektor für das Ägyptisch-Arabische am Seminar für Orientalische Sprachen (SOS) eingestellt, dem er fünf Jahre lang angehörte. Das SOS war im selben Jahr an der Friedrich-Wilhelms-, der jetzigen Humboldt-Universität gegründet worden, um den rasch wachsenden Bedarf des Reiches vor allem an Dolmetschern für den Kolonial- und den auswärtigen Dienst decken zu können. Neben dem Ägypter war Amin Ma´arbes (1851-1915) für Syrisch-Arabisch eingestellt worden, und 1891 folgte Muhammed Bu Selham für das Marokkanisch-Arabische. Diese Praxis, muttersprachige Lehrkräfte für den Unterricht heranzuziehen, wurde bis zum Anfang der vierziger Jahre fortgesetzt, als aus dem SOS längst die Auslandhochschule bzw. die Auslandswissenschaftliche Fakultät der Universität geworden war. Dadurch war es auch zum ersten Male möglich geworden, dass Araber über längere Zeit in Berlin leben konnten; Ma´arbes nahm übrigens die deutsche Staatsbürgerschaft an. Im politischen und kulturellen Leben der Stadt spielten einige Lektoren später eine nennenswerte Rolle.

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"Völkerschau"

Spektakulärer gestaltete sich der Aufenthalt von Arabern, die seinerzeit aus einem ganz anderen Grunde nach Berlin kamen: als Teilnehmer an den sogenannten Völkerschauen. Das waren Veranstaltungen, auf denen in Zoologischen Gärten, in Parks und Etablissements neben exotischen Pflanzen und Tieren fremde Menschen gezeigt wurden, in Berlin seit dem Ende der siebziger Jahre auch solche aus Ägypten und dem Vorderen Orient. Die Völkerschauen boten - der Zeit gemäß - durchaus Gelegenheit für die Bevölkerung, mit anderen Völkern und Kulturen in Berührung zu kommen; indessen waren sie häufig zugleich ein Mittel der Kolonialpropaganda und geeignet, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch Vorurteile und Klischees zu reproduzieren.
Obwohl zu lesen war, "dass die Leute vollauf Gelegenheit finden, ihren rituellen und sonstigen Eigenthümlichkeiten nachzuleben" (Krug), blieben die Lebensumstände der in einem Barackenlager hinter der "Muayyad-Moschee" untergebrachten Araber weitgehend im Dunkeln. Immerhin gab es in den Berliner Tageszeitungen eine Reihe von Berichten, in denen auf Beschwerden der Teilnehmer über ihre schlechte Behandlung hingewiesen wurde.

Besonderes Aufsehen erregten die Klagen des 2,40 Meter messenden "Riesen" Hassan Ali (1878-?) und einer Gruppe von sieben Ägyptern, die von der Gesellschaft "Kairo" angeblich wegen Arbeitsverweigerung entlassen worden waren. Die Gerichtsverhandlung ergab, dass die Ägypter erst die Arbeit verweigerten, nachdem sie vergeblich die Auszahlung der ihnen zustehenden Löhne verlangt hatten. Hassan Ali forderte die Auszahlung seines Lohnes für die vergangenen zwei Jahre in Höhe von 960 Mark und die Rückgabe der ihm abgenommenen Trinkgelder in Höhe von 470 Mark. Das Ergebnis der Ermittlungen und das weitere Schicksal von Hassan Ali sind leider nicht bekannt. An die Gruppe der sieben Ägypter sollte die Gesellschaft jeweils 158,05 Mark zahlen. Obdachlos geworden, wurden sie wenig später offenbar ohne das Gehalt nach Ägypten abgeschoben.

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Der Riese Hassan Ali
Hassan Ali und der Magistratsdiener Schulz vom Gewerbegericht

Mustafa Kamil

Etwa zur selben Zeit hielt sich ein Ägypter in Berlin auf, dessen Lebensziel es war, seine Landsleute nicht als Untertanen, gar als Ausstellungsobjekte, sondern als freie Menschen zu erleben. Es war Mustafa Kamil (1874-1908), ein ägyptischer Patriot, der die Losung des Urabi-Aufstands "Ägypten den Ägyptern" aufgegriffen hatte und an der Spitze der damals noch jungen Nationalbewegung die Unabhängigkeit seines Landes von der britischen Herrschaft erstrebte. Bei seinen Europa-Reisen, auf denen der aus wohlhabender Familie Stammende seine politischen Absichten erläuterte, die er mit Frankreichs Hilfe zu verwirklichen hoffte, besuchte er auch mehrmals Berlin, zum ersten Mal 1896.
Kamil erblickte in einem deutsch-osmanischen Bündnis Hilfe für Ägypten. Die ägyptische "Nationalpartei", die er 1907, kurz vor seinem Tode, noch zu gründen vermochte, blieb lange der Illusion treu, mit Hilfe Deutschlands und des Osmanischen Reiches Ägypten von der britischen Herrschaft befreien zu können.
In diesem Sinne handelte auch Kamils Freund Mahmud Labib Muharram, der sich 1910 in Berlin niedergelassen und hier eine Deutsche geheiratet hatte. In Gesprächen mit Politikern und in Zeitungsartikeln warb er für das deutsch-osmanische Bündnis, vor allem aber für Deutschlands Unterstützung der Ägypter sowie der Libyer, gegen die 1910/11 Italien einen Kolonialkrieg führte. In diese Tätigkeit versuchte Muharram andere Ägypter einzubeziehen, die in Berlin lebten, vor allem Studenten, die seit 1909 wieder nach Deutschland kamen; 1912 waren es bereits 20. Zu diesem Zweck gründete er 1911 den "Ägyptischen Bund", die erste Organisation in Deutschland lebender Araber. Am 4. September 1913 starb Muharram in Berlin.
Als ein Jahr später der Erste Weltkrieg ausbrach, schien seinen Parteifreunden, aber auch anderen Arabern der Moment nahe, da sich ihre politischen Wünsche endlich erfüllen sollten; dies um so mehr als der Sultan-Kalif in Istanbul, das nominelle Oberhaupt aller Muslime, am 11. November 1914 den Dschihad, den "heiligen Krieg", gegen Frankreich, Großbritannien und Russland, die Entente also, ausrief und sich das Osmanische Reich tags darauf den Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn anschloss. Führende Mitglieder der ägyptischen "Nationalpartei" kamen nun aus dem Istanbuler und Schweizer Exil nach Berlin, desgleichen Vertreter anderer arabischer Nationalbewegungen, vor allem solche aus dem französisch besetzten Nordafrika.

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Zwischen Internierung und Kollaboration

Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im September 1939 hatte auch für die in Berlin und anderswo im Reich lebenden Araber weitreichende Folgen. Als erste waren Ägypter und Iraker betroffen, deren Regierungen die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland abgebrochen hatten. Während sich alle irakischen Staatsbürger bei den Ortspolizeibehörden zu melden hatten, waren die Ägypter auf Weisung des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, zu internieren. Zu den ersten, die auf die Wülzburg bei Nürnberg gebracht wurden, gehörte der Lektor an der Auslandhochschule (ehemaliges SOS) sowie Vorsitzende der "Islamischen Gemeinde" und des "Islam-Instituts", Riyad Ahmad Mohammed, und der Präsident der "Ägyptischen Handelskammer in Deutschland", Aziz Cotta (1898-1959?). Während Mohammed nach Intervention der Hochschule, namentlich des Orientalisten Walter Björkman, im November freigelassen wurde, überstand Cotta die inzwischen von Außenminister Joachim von Ribbentrop angeordnete Überprüfung seines Falles nicht. Cotta, der noch im Jahr zuvor von Hitler für seine Verdienste um Deutschland mit dem Verdienstkreuz des Ordens vom Deutschen Adler dekoriert worden war, konnte nicht, wie verlangt, belegen, für das Reich "nachweisbar von Nutzen" zu sein. Er verbrachte zwanzig Monate im Internierungslager, danach wurde er bis Kriegsende in Tirol unter Polizeiaufsicht gestellt.
Es gab Leute, die aus dem Elend Vorteil zu ziehen versuchten. Kamal al-Din Galal, der Ende der zwanziger Jahre dem "Ägyptischen Bund" und dem "Ägyptischen Studentenverein" an der TH vorgestanden hatte und in den Dreißigern Berliner Korrespondent von "al-Ahram" war, nutzte die zeitweilige Abwesenheit Mohammeds, um die Führung des "Islam-Instituts" an sich zu bringen.
Unter den Augen des Amtes IV D 3 der Gestapo, das 1940 die Überwachung der Ausländer im Reich restlos an sich gezogen hatte, kam mit Ausnahme der "Islamischen Gemeinde" die Tätigkeit der anderen islamischen und arabischen Organisationen Berlins fast völlig zum Erliegen.
Stimmung und Situation änderten sich dramatisch, als das nationalsozialistische Deutschland mit der Entsendung des "Afrika-Korps" nach Nordafrika und der Bildung der "Militärmission nach dem Irak" (später "Sonderstab F") 1941 in die militärische Phase seiner Nahostpolitik eintrat. In der Weisung Nr.32 "Vorbereitungen für die Zeit nach Barbarossa" befahl Hitler ausdrücklich die "Ausnutzung der arabischen Freiheitsbewegung" für die deutschen Kriegsziele.
Propaganda, "in erster Linie durch Rundfunkmeldungen in arabischer Sprache, durch Einflussnahme auf arabische Zeitungen und Zeitschriften, durch die Pflege der persönlichen Beziehungen zu einzelnen Arabern usw.", wie der Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, Ernst Woermann, in seiner "Aufzeichnung zur arabischen Frage" vom März 1941 präzisierte, war ein Aspekt ihrer "Ausnutzung". Bereits im April 1939 hatte der Reichsrundfunk seine arabischen Sendungen über den Deutschen Kurzwellensender in Zeesen bei Königs Wusterhausen aufgenommen; sie wurden von Arabern gesprochen.
Die meisten Araber, die im deutschen Propagandaapparat arbeiteten, waren erst in den letzten Jahren nach Berlin gekommen. Sie hatten oft in den inzwischen von Deutschland okkupierten Ländern, vor allem in Frankreich, studiert oder waren 1941 nach der Niederlage der Gailani-Bewegung im Irak und der Besetzung Syriens und Libanons durch britische und gaullistische Truppen von dort geflohen. Ihre Mitarbeit mochte verschiedene Gründe gehabt haben; ein gewichtiger war die Illusion, der bereits ihre Väter und Großväter im Ersten Weltkrieg erlegen waren, dass nämlich Deutschland, nun das nationalsozialistische, ihnen bei der Befreiung ihrer Heimatländer von kolonialer Herrschaft behilflich sein könnte.
Nicht bekannt war den Arabern damals allerdings die geheime Richtlinie Woermanns vom 20. August des selben Jahres an die deutschen diplomatischen Vertretungen; aus gegebenen Anlass wurde darin "grundsätzlich" betont, dass Deutschland im Mittelmeerraum zwar wirtschaftliche, verkehrspolitische und kulturpolitische, jedoch "keine politischen Interessen" verfolge, sondern hierbei "Italien die Vorhand" lasse. Diese Absichten seien absolut vertraulich zu behandeln, insbesondere "dürfen sie nicht arabischen Persönlichkeiten mitgeteilt werden"; diesen gegenüber sei vielmehr das "gemeinsame deutsche und arabische Interesse an der Niederringung Englands immer wieder zu betonen".

Der Bericht ist ein Auszug aus der Broschüre "Araber in Berlin", Frank Gesemann, Gerhard Höpp, Haroun Sweis (Autoren), Die Ausländerbeauftragte des Senats von Berlin (Hg.), 1998.



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