Anjaneya - Hanuman

Translate this page

Von einem deutschen Indienliebhaber wurde mir 2002 ein Text zugesandt, der einen Eindruck von der indischen Spiritualität lebhaft vermittelt.
Zunächst möchte ich einige Hintergrundinformationen zum nachfolgenden Erlebnisbericht liefern:
Anjaneya, der Sohn der wunderschönen Nymphe Anjana, ist einer von mehreren Namen, die Hanuman, der indische Gott in Affengestalt, trägt.

Wir können fragen: weshalb "Affengestalt" wo doch Affen als solche in Indien keine besondere Verehrung erfahren? Und wahrlich: Es gibt weder wichtige Sugriva-Schreine (Sugriva ist Hanuman´s Befehlshaber im Ramayana) oder Angada-Schreine (Angada ist Fürst des Affenheeres)noch werden andere Helden von Hanumans Dschungel-Gesellschaft verehrt. Dafür existieren unzählige Hanuman-Schreine über den ganzen Indischen Subkontinent verteilt, und das, weil Hanuman mit Rama assoziiert wird. So wird Hanuman trotz und nicht wegen seiner Gestalt verehrt.
Möglicherweise geht die Affenverehrung zurück auf einen alten unabhängigen Totemkult, wobei Affen eine bedeutende Rolle gespielt haben. Zahlreiche Steinfiguren mit Affendarstellungen werden bis heute immer wieder auf abgelegen Feldern und bei Waldaufräumungsarbeiten in Indien entdeckt.

Wenn sich die Verehrung Hanumans also auf diese frühe Affenverehrung zurück führen lässt, dann können wir sagen, dass sich die Figur des Hanumans exellent in die Identität des Dieners und Verehrers Ramas eingefügt hat.

Auf unserer Abbildung erscheint Hanuman als sanftmütig und still - die ehrfürchtige Haltung, die er einnimmt in der Gegenwart seines Herrn Rama.
Eine andere sehr populäre Darstellung zeigt Hanuman mit seinen Beinen in einer rennenden beziehungsweise springenden Position - ein Arm oder beide trägt dabei den Berg der heilenden Kräuter.


| Bild 1 | | Bild 2 | | Bild 3 | | Bild 4 | | Bild 5 |
Rare Forms of Hanuman

Manchmal wird er kniend oder sitzend als kraftvoller Yogi (Bild 5) dargestellt. Besonders im Süden Indiens wird Hanuman auch fünfköpfig dargestellt (Bild 1 - 4). Die vier zusätzlichen Köpfe repräsentieren Garuda, Varaha, Asva und Simha.
In allen Fällen, unabhängig von den Körperhaltungen, wird seine Körperfarbe in den dhyana-slokas (Meditationstexten) mit "golden" angegeben, während sein Gesicht rot ist. Die gegenwärtigen Darstellungen, die ihn mit einem rot- oder grünfarbenen Körper zeigen, entsprechen nicht der Tradition.
Jedes Jahr im Monat April/Mai wird seines Geburtstags gedacht, und spezielle Pujas werden abgehalten, sein Prozessions-Bild wird auf die Straßen gestellt. Und bei den speziellen Rama/Sita-Verehrungen ist Hanuman in den Liturgien enthalten.
Hanuman, der mehr ist als er scheint zu sein, verweist auf die Menschen selbst, die das Potential in sich tragen mehr zu sein als sie scheinen. So ist die Verehrung Hanumans mit dem Anliegen verknüpft, für die diversen Unternehmungen etwas von dessen übernatürlichen physischen als auch psychischen Kraft zu erlangen.

Mein Erlebnis mit Anjaneya

Heute stand eine Abhischeka-Zeremonie eines Swami aus Sri Lanka auf dem Plan - Maruti Chandrasekhar. Ich war ihm schon einmal vor einiger Zeit dort begegnet. Über seine Bedeutung war ich mir seinerzeit allerdings nicht klar. Ich erinnere mich nur schwach, daß er als großer Anjaneya-Bhakta gilt (besser vielleicht bekannt als Hanuman, der Affe, der ein Rama-Bhakta ist.). Nun war er plötzlich hier...
Der ortsansässige Brahme zelebrierte seine Puja - das dauerte ca. 3 Stunden. Dann trat Maruti Chandrasekhar auf den Plan und füllte allein schon mit seiner leiblichen Präsenz den Raum: ein Mann mit einem Hanuman-Bart in den Mittfünzigern mit einem Bauch, der jedem Bierfaß zur Ehre gereichen würde. Aber man weiß ja nie - in Indien sagt man, dies sei ein typischer Prana-Bauch, jedenfalls einer, der dem jenes Hanuman, der sich auf den Bildern findet, in nichts nachsteht.
Es begann eigentlich unspektakulär: der Swami ließ die schulpflichtigen Kinder vortreten und redete zu ihnen - natürlich in Tamil.
Doch dann, nachdem dies beendet war, und eine Murti von Anjaneya aufgestellt war, begann es: der Swami zog sein Hemd aus, und griff sich, nunmehr mit nacktem Oberkörper und einem saram (Hüfttuch) bekleidet, mit der Linken ein Bild von Anjaneya, mit der Rechten einen Stock und schlug mit einer plötzlichen Heftigkeit erst auf das Bild, und dann auf sich, das es zum Erschrecken war. Dabei intonierte er mit einer unerwartet veränderten Baßstimme immer wieder "Anjaneyaaaa, Anjaneyaaaa", wobei er das "a" schier endlos dehnte.
Dann begann er mit dem Abhischekam; dabei stieß er gleich einem brodelnden Vulkan immer wieder dieses "Anjaneyaaaa" aus.
Das war beeindruckend genug; auch wie er sich mit wahrer Inbrunst beim karpura niranjanam (dem Schwenken der Kampferflamme) hinkniete, war bewegend.

So ging es eine Zeit hin; Sandelholzwasser, Honig, Milch und andere Substanzen wurden über die Murti gegossen und immer wieder ununterbrochen "Anjaneyaaaaaaa".
Und dann geschah etwas, was die Anwesenden, die sich auf den Boden gehockt hatten, um das Schauspiel zu verfolgen, jäh und sicher, auch vor Schreck aufspringen ließ: der Swami hatte sich augenblicks wahrlich in einen "wilden Affen" verwandelt!
Da entfuhr kein "Anjaneya" mehr seinem Mund (oder sollte ich besser sagen: Maul ?), sondern tierische Schreie, ja die typischen Affenlaute: er bleckte die Zähne, zog fürchterliche Grimassen, zertrümmerte eine Kokosnuß mit gewaltiger Kraft;er machte Riesensprünge in halber Hocke und schlug dann mitten ins kreischende Publikum hinein einen Purzelbaum. Er griff sich ein etwa einem vierarmigen Kerzenleuchter gleichendes Gestell mit vier hoch brennenden Kampferflammen und hielt es sich ins Gesicht, und fuchtelte wild damit an seinem Leibe herum. Irgendwann stürzte er erschöpft und in einem tranceartigen Zustand zu Boden. Nach einer Weile stand er wieder auf, und die Abhischeka-Zeremonie ging weiter; und plötzlich ein markerschütternder Schrei: eine Frau mittleren Alters schrie, wandt sich, gestikulierte wild und der Swami schritt auf sie zu und hielt sie fest und sprach zu Ihr, bis sie sich schließlich wieder beruhigte.
Nach dieser Unterbrechung ging die Zeremonie weiter Ihren Gang, bis wiederum plötzlich ein etwa dreißigjähriger Mann äffische Laute und Schreie mit einer derartigen Heftigkeit hervorstieß, dass man nicht glauben kann, das dies die menschlichen Stimmbänder hergeben können; zugleich sprang er in halber Hocke durch den Raum und war nicht zu beruhigen.
Als die schier endlos dauernde Zeremonie zu Ihrem Ende kam (nach ca. 4 Stunden), erzählte der Swami aus seinem Leben, besser: erst aus seinem letzten, dann aus diesem Leben.
In seinem letzten Leben sei er ein sehr reicher Chetiar (so etwas wie Großgrundbesitzer und Bürgermeister) gewesen; er hätte seinen Reichtum jedoch allein für sich selbst genutzt und niemals daran gedacht, anderen zu helfen. Eines Nachts erschien ihm Hanuman und sagte ihm, er würde bald an einer von Ärzten nicht heilbaren Krankheit leiden.
Und so geschah es: er wurde krank; und bald mußte er einsehen, daß ihm auch sein Geld nicht helfen konnte.
Mehr und mehr verlor er Interesse an seinem bisherigen Leben; er vermachte seinen Reichtum und widmete sich der Verehrung Anjaneyas; schließlich zog er in den Hanuman-Tempel seines Ortes als mittelloser Mann; und, da er unerwarteter Weise von seiner Krankheit genas, blieb er dort als ein demütiger Bhakta und wurde schließlich wie ein Heiliger verehrt.
Dann starb er und wurde in Sri Lanka wiedergeboren; in dem indischen Tempel hat man eine Tafel angebracht, auf der von seinem Leben und seiner Wiedergeburt in Sri Lanka berichtet wird.
Wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist der von ihm in Sri Lanka begründete Anjaneya-Tempel (merkwürdigerweise) der erste und einzige seiner Art; ein erweiterter Ableger davon wurde am 7. Juli 2002 in Hamm-Uentrop eingeweiht (Gewidmet ist der Tempel Sri Kamadschi Ampal, der Göttin, die Wünsche von den Augen ablesen kann); eine Anjaneya-Murti wurde von dem Swami persönlich eingeweiht........Der größte Hindu-Tempel Europas: Kamadchi-Ampal-Tempel in Hamm.