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Volksmission auf brasilianisch
Franziskaner Mission, 2/2001, S.22ff., P.Claudio Krämer ofm.
Als am 28. Januar 2001 die große Aussendungsfeier stattfand, hatte ich die Gewissheit, dass sich alle Mühe in der fast einjährigen Vorbereitungszeit gelohnt hatte. Am Vorabend waren die Laien- Missionare von auswärts eingetroffen: 150 Männer und Frauen, junge Erwachsene, die Erfahrungen in dieser Art Volksmission mitbrachten. Sie kamen aus Sao Luis, Teresina , Piripiri und anderen Orten, manche hatten eine 500km lange Anfahrt auf sich genommen. Aus unserer eigenen Pfarrei hatten sich etwa 500 Leute auf ihre Aufgabe vorbereitet, darunter eine ganze Reihe Kinder, die eine wichtige Rolle bei der Durchführung der missionarischen Woche gespielt haben (welche Erwachsene kann schon dem Charme eines Kindes widerstehen ?).
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Es war ein hartes Stück Arbeit, am Abend vor der Aussendungsfeier die letzen Einzelheiten zu regeln. Integrierung der auswärtigen und einheimischen Missionare, genaue Unterweisung hinsichtlich des Programms der einzelnen Tage der missionarischen Woche,
Verteilung der Missionare auf die 50 Gemeinden im Hinterland der Pfarrei.
Als ich morgens um 3 Uhr in die Hängematte sank, war mein letzter Gedanke: Was das Vorbereitungsteam und ich tun konnten, haben wir getan; jetzt muss der heilige Geist sein Feuer zünden!
Die Aussendungsfeier konnte man mit einem einzigen Wort beschreiben: Begeisterung. Unser Bischof, Dom Balisario, gab den Missionaren den Segen und schickte sie auf den Weg. Jeder von ihnen wurde mit geweihtem Öl gesalbt, bekam ein kleines hölzernes Kreuz umgehängt mit Bibel, Programmheft, Kugelschreiber und Papier. Aus den einzelnen Gemeinden waren Abordnungen gekommen, um die für sie bestimmten Missionare abzuholen. Nach der Feier war dann Aufbruchstimmung. Offene Lastwagen standen bereit, um die Missionare und die Gemeindeabordnungen an ihren, oft weitentfernten Bestimmungsort zu bringen, Es war ein buntes Bild: rote und weiße Fahnen. Spruchbänder und Wimpel. Die roten Fahnen mit dem Symbol des Heiligen Geistes und der Aufschrift:
Heiliger Geist, erneuere das Antglitz unserer Pfarrei - die weißen Fahnen zeigten die Namen der einzelnen Gemeinden. Jedes Mal, wenn ein Wagen losfuhr, sang des ganze Volk mit ausgestreckten Händen: Vai Missionario! Missionar mach dich auf den Weg! Es war schon ein Wunder, dass alle Fahrzeuge ihr Ziel erreichten, Die Regenzeit hatte eingesetzt, die meisten Wege waren aufgeweicht, schlammig und praktisch unpassierbar.
Viele Gruppen mussten noch einige Kilometer durch Schlamm und Wasser waten, um an ihren Bestimmungsort zu kommen. Am Eingang der Orte wurden dann die ankommenden Gruppen festlich empfangen: Böller Papierschnipsel Trommeln und gemeinsames Essen.,Unterbringung und Verpflegung haben die oft bitterarmen Familien in den Dörfern gemeinsam gemeistert, es ging reihum. In einigen Dörfern ,so hat man mir berichtet, war für die Besucher sogar der Luxus eines Badezimmers und einer Toilette aufgeboten worden: ein mit Palmenzweigen abgetrennter Quadratmeter zwischen den Bananenstauden hinter der Hütte. Nun waren die Missionare eine ganze Woche bei den Leuten. Jeder Tag hatte sein eigenes Gepräge und ein festes Programm, der Montag zum Beispiel war der Tag der Zärtlichkeit und des Mitleids. An diesem Tag sollten alle Familien besucht werden, die sich in Konfliktsituationen befinden, alleingelassenen Frauen, drogenabhängige Jugendliche, verkrachte Nachbarn uws. Oder der Dienstag, der Tag der Weherufe. An disem Tag besuchte des Volk Stellen, an denen Blut geflossen( Landkonflikte) und Gewalt ausgeübt worden ist (Messerstechereien, Mord) Aus den schriftlichen Berichten der Gemeinden weiß ich, dass sich überall im Laufe der missionarischen Woche bei solchen Gelegenheiten bewegende und aufrüttelnde Szenen abgespielt haben. Ich selbst habe an der Mission im Stadtzentrum von Sao Luis Gonzoga, rund um die Pfarrkiche ,teilgenommen. Viele Hausbesuche , viele Gespräche , viele liturgische Feiern, viele Begebenheiten sind mir an die Nähte gegangen. |
Ich will nur von meinen Erlebnis berichten, das mir die Sprache verschlagen hat, ich konnte einfach nicht weiter reden: Am Freitagmorgen, in aller Herrgottsfrühe, sind wir singend und betend zum Flussufer gezogen, wo die Tauferneuerung stattfinden sollte. Rund tausend Menschen waren gekommen und hatten Eimer, Schüsseln ,Kanister, Töpfe und Kannen mitgebracht. Ich hatte die Leitung der Feier. Es wurde ein großer Kreis gebildet, die Jugendlichen kletterten die Böschung zum Fluss hinunter, füllten alle Gefäße mit Wasser und brachten sie in die Mitte, wo sie in einer langen Reihe aufgestellt wurden. Nach einer Einführung über den Sinn und die Bedeutung der Taufe habe ich die Leute aufgefordert, sich gegenseitig das Kreuzzeichen auf die Stirn zu zeichnen, sich gegenseitig die Hände aufzulegen und sich gegenseitig daran zu erinnern, was die Taufe auf Jesus Christus von uns fordert. Es herrschte eine heilige Stille bei den Gesten und ein heiliges Gemurmel bei der gegenseitigen Belehrung. |
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Die Santas Missones Poulares sind vorbei. Vieles ist geschehen: Der Kirche Fernstehende haben den Weg zurück gefunden, Familienstreit wurde begraben, selbst politische Feinde haben sich versöhnt, drogenabhängige Jugendliche haben sich für den Weg des Lebens entschieden, gefährdete Ehen wurden gefestigt. Bei der großartigen Schlussfeier, zu der alle Gemeinden gekommen waren, haben viele Leite öffentlich Zeugnis abgelegt über den Wandel in ihrem Leben und im Leben in ihrer Gemeinde. Der Dank für die Gnade der Volksmission wurde oft und lautstark zum Ausdruck gebracht mit Liedern, Fahnenschwenken,, Trommelwirbel Beifall und lauten Zurufen. Dann zum Schluss, echt brasilianisch, gab es Tränen und lange, herzliche Umarmungen, als sich die ausländischen Missionare von ihren Gemeinden verabschiedeten. Ich selbst stehe im allgemeinen nicht so auf Tränen, obwohl mich manches in der Volksmission emotionell schon gebeutelt hat. Ich möchte das die brasilianische Volksmission in unserer Pfarrei, die uns Geld, Nerven und viel Einsatz gekostet hat, dem Leben eine Bresche schlägt, in einer Welt, in der die Zeichen des Todes immer stärker werden.
PP. Claudio Krämer ofm
Sao Luis Gonzoga/
NO-Brasilien
Weg in die Zukunft
Die Frei-Alberto-Schule in Sao Luís
Franziskaner Mission, 3/2005, Ewald Dimon, S.16.
Der Traum von einem besseren Leben in der großen Stadt endet für viele Menschen vom Land in einem Elendsviertel. Dort wächst eine Generation heran, die ohne Hilfe keine Zukunftsperspektiven hat. In Sao Luís, der Hauptstadt des Staates Maranhão im Nordosten Brasiliens, dem Armenhaus des Landes, initiierten die Franziskaner vor mehr als 20 Jahren ein Schulprojekt für die Kinder der Armen, die Frei-Alberto-Schule.
Der Anfang dieses Projekts ist der Eigeninitiative von Lehrerinnen zu verdanken, die etwas gegen das Elend tun wollten und sich an die Franziskaner wandten. Die Franziskaner ginen einen ungewöhnlichen Weg: Sie holten nicht die Schüler in ein Schulgebäude, sondern brachten die Schule zu den Schülern, in ihre Viertel. Die wöchentlichen Planungen und die notwendigen Schulungen des Lehrpersonals fanden im Pfarrzentrum statt. Heute begleiten neun Lehrkräfte die vierzig Klassenlehrerinnen und -lehrer bei ihrer Arbeit und besuchen die ihnen anvertrauten Klassen immer wieder in den Stadtvierteln. 1104 Schülerinnen und Schüler werden auf diese Weise unterrichtet.
Der Frei-Alberto-Schule angeschlossen ist das Kinderbegegnungszentrum "Albertao", wo Kinder der Frei-Alberto-Schule und anderer Schulen mit Lernschwierigkeiten oder Verhaltensstörungen durch sinnvolle Freizeitbeschäftigung und Bildungsangebote gefördert werden. Zwölf Gruppen von jeweils 15 Kindern treffen sich hier jede Woche zwei- bis dreimal.
Auch einige "Escolas Comunitárias" (vom Staat mitgetragene Privatinitiativen) nehmen seit Jahren an der Planung und pädagogischen Begleitung teil, wodurch 710 Schülerinnen und Schüler erreicht werden.
In den vergangenen Jahren erarbeitete das Team der Lehrerinnen und Lehrer der Vorschule zusammen mit der Pädagogischen Leiterin der Schule, Dona Angélica Araujo Costa, Lernmaterial für die drei Vorschulklassen, das auch unsere Vorschulen in Bacabal (CONASA und JUST) übernehmen.
Die Frei-Alberto-Schule arbeitet nach der Pädagogik des brasilianischen Volkspädagogen Paulo Freire, deren Ausgangspunkt die Lebenssituation der Kinder, ihre Erfahrung und ihr Wissen ist. Sie lernen nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern sie lernen auch, ihre Situation zu erkennen und zu verändern. Alphabetisierung und Bewusstseinsbildung, verknüpft mit Urteils- und Kritikfähigkeit, werden gefördert.
Das ist die Grundlage für politisches Denken und Handeln - eine Hilfe, die zur Selbsthilfe führt.
Für die Kinder ist ihre Schule ein Ort, wo sie Herzlichkeit und Verständnis erfahren, wo sie sich geborgen fühlen können - Erfahrungen, die sie sonst in ihrem jugendlichen Leben kaum machen. Und bei der täglichen Schulspeise bewahrheitet sich, dass Liebe durch den Magen geht!
Die Lehrerinnen und Lehrer haben durch die monatlichen Versammlungen mit den Eltern einen guten Kontakt zur Familie. In Härtefällen begleiten eine Sozialassistentin und eine für diese Arbeit freigestellte Lehrerin die Familie und versuchen gemeinsam eine Lösung zu finden.
Durch einen interreligiösen Religionsunterricht lernen die Kinder ihre eigenen religiösen Erfahrungen zu verstehen und auch die der anderen Menschen. Im Bereich der geistlichen Bildung bietet die Schule den Kindern und ihren Familien mehr als die meisten übrigen Schulen. Natürlich wissen die Familien, dass dieses Angebot für ihre Kinder Ausdruck einer vom Glauben und der Liebe motivierten Solidarität vieler Menschen ist, die durch ihre Spenden alles mittragen. Das lädt nicht nur zur Dankbarkeit gegen Gott und die Spender ein, sondern auch zur eigenen missionarischen Evangelisierung in dieser Welt.
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Einfach glauben
Wallfahrer in Canindé
Franziskaner Mission,3/2005, S.24, Walter Schreiber
Die Stadt Canindé im Nordosten Brasiliens ist im ganzen Land als Wallfahrtsort bekannt. Die Wallfahrtszeit beginnt im August und endet zu Weihnachten. Die Hauptzeit ist jedoch die Franziskus-Novene vom 25. September bis zum 4. Oktober, dem Franziskusfest. Während dieser Tage gehört Canindé ganz den Wallfahrern. |
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Canindé hat 80.000 Einwohner, von denen die Hälfte in kleineren Ansiedlungen im Landesinnern wohnt. Zur Pfarrei gehören 80 Kapellen, die die franziskanischen Mitbrüder regelmäßig besuchen, und 40 Kapellen, die sie in größeren Abständen aufsuchen.
Nach Canindé kommen jährlich Hunderttausende Pilger zur Verehrung des Heiligen Franz von den Wundmalen - unter diesem Namen kennen die Wallfahrer ihn, nur für Eingeweihte handelt es sich um Franz von Assisi. Im volkstümlichen Glaubensverständnis ist er ein Heiliger, der am Leben der Menschen teilnimmt und in Canindé lebt, wo ihn die Mitbrüder beherbergen. Das wirft ein Licht auf die Einfachheit des Glaubens derjenigen, die ihn in Canindé auf ihre Weise erneuern. Diese Einfachheit darf nicht mit Einfalt verwechselt werden: Die Menschen kommen mit einem Glauben, der ihnen eigen ist. Was sie in Canindé suchen, ist vor allem die Fürsprache des Heiligen und Wunder. Die Bedeutung des Wortes "Wunder" ist vielschichtig: Für die armen Menschen ist jede Heilung einer Krankheit oder die Lösung eines Problems ein Werk Gottes, weil Gott der Herr des Lebens ist und alles in seiner Hand liegt. Die Menschen danken dem Heiligen Franz auf unterschiedliche Weise für seine Fürsprache oder wenn ihr Wunsch eingetreten ist: Sie lösen ein Versprechen ein, geben Geld oder bringen Symbole mit, die eine geheilte Krankheit repräsentieren. Diese Symbole - "Es-Votus", Gelübde, genannt - sind ein Indikator dafür, wie häufig bestimmte Krankheiten vorkommen und ermöglichen Rückschlüsse auf die soziale und psychische Situation der Menschen: Kopf-Symbole repräsentieren starke Sorgen, die Kopfschmerzen verursachen und Kopfzerbrechen bereiten: Familienprobleme, Arbeitslosigkeit, Alkoholprobleme des Ehemannes, Drogenabhängigkeit der Kinder oder eine Krankheit. Bein-Symbole sind ein Zeichen für Beinbrüche, die vielfach die Folge von Motorradunfällen sind. Auffallend ist die wachsende Zahl von Brust-Symnbolen, was auf vermehrten Brustkrebs bei Frauen schließen lässt.
Für viele Menschen im Landesinnern ist die jährliche Wallfahrt eine Gelegenheit, für ein paar Tage aus ihrem harten Alltagstrott auszubrechen - vorausgesetzt ihre Ernte war so gut, dass sie sich die Fahrt leisten können. |
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