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Die Herrschaft islamischer Dynastien in Indien seit der Jahrtausenwende (997 n.Chr.) hatte zu einer Islamisierung in den nordwestlichen Provinzen geführt. Unter den Mogulherrschern (16./17.Jahrhundert) wurde der Islam Staatsreligion. Der strenge Monotheismus dieser Religion stand in krassem Gegensatz zum erstarrten Ritualismus, Aberglauben und dem uferlosen Kastensystem der Hindus. Die Brahmanen als religiöse Führer waren Angehörige einer isolierten obersten Kaste und sahen sich als eifersüchtige Hüter der alten Religionstraditionen und heiligen Schriften an, die außer ihnen niemand verstehen konnte. |
Tatsächlich waren sie in einer den Volkssprachen fernstehenden alten Sprachen, dem Sanskrit, abgefasst. In dieser Zeit entstanden verschiedene Refombewegungen innerhalb des Hinduismus, die unitarische Tendenzen hatten, d.h. eine Annäherung an eine Gottesvorstellung der Einheit Gottes war vorhanden. Dies mag auf den Einfluss des Islam zurückgegangen sein, Handwerker und Kaufleute standen im täglichen Verkehr miteinander, in ihren Kreisen bildeten sich diese Reformgemeinschaften aus. Der Weber Kabir (1440-1518), der die Sekte der Kabir Panthi stiftete, kann als Vorläufer der Sikh-Gemeinschaft angesehen werden. Sein Schüler Guru Nanak (1469-1538) war ihr Gründer. Die neue Lehre ist aber nicht einfach eine Vermischung von Islam und Hinduismus. Vielmehr hat sich eine neue, eigenständige Religion entwickelt mit einem neuen Glaubensinhalt, der sich deutlich von beiden Religionen unterscheidet. Die geistigen Wurzeln der Sikh-Religion führen auch auf die Saint-Traditionen des mittelalterlichen Indiens zurück, mystische Frömmigkeitsbewegungen in deren Zentrum die Lehre von der Einheit und Allgegenwart Gottes und die Hingabe des Menschen an Gott stehen. | |
Die Lehre
Die Anhänger des Guru Nanak nannten sich Sikhs, das bedeutet Schüler oder Jünger. Sie empfingen von ihm die Lehre und eine darauf beruhende Lebensweise, ein Dharma. Es beinhaltet eine tägliche Meditation über Gott und die Rezitation der Hymnen in der Gemeinschaft, das Ethos der Arbeit als brüderlicher Dienst an der Menschheit, das Miteinanderteilen des ehrlich Erworbenen.
Diese drei ethischen Forderungen waren die Grundlage dafür, dass die Sikhs nicht nur eine religiöse, sondern auch eine soziale Gemeinschaft geworden sind. Bedeutsam ist die Gleichstellung von Mann und Frau, die es weder im Hinduismus noch im Islam gegeben hat. Die alte indische Lehre von Karma und Wiedergeburt durch Seelenwanderung hat Guru Nanak übernommen, aber neu ausgestaltet. (...) Buße, Zölibat und Askese gibt es nicht. Das Karma steht in einem Verhältnis zur Gotteshingabe. In seinem religiösen Werk Japji Sahib werden fünf Säulen des geistigen Wachstums genannt, die den Sikh aus dem Kreislauf der Wiedergeburt herauslösen:
Dharam Khand
- Pflicht und Verantwortung für die eigenen Taten
Gian Khand
- Wissen über Gottes Allmacht und seine Schöpfung
Saram Khand
- Reinigung des Geistes durch Mühe und Anstrengung
Karam Khand
- Selbstlosigkeit führt zu göttlicher Gnade und Geisteskraft
Sach Khand
- Erkenntnis der absoluten Wahrheit in der geistigen Wirklichkeit, wo Gott und Mensch eins werden.
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Der Guru Granth Sahib
Nach ihrer Entstehung wurde die Sikh-Gemeinschaft zweihundert Jahre durch die Nachfolge der Guru geführt. Die Lehre des Gründers Guru Nanak erhielt durch die ihm noch folgenden neun Gurus ihre Ausgestaltung zur religiösen und nationalen Gemeinschaft.
Guru Angad führte ein eigenes Alphabet ein, die Gurmukhi-Schrift, in der die Hymnen der Gurus in der bis dahin schriftlosen Volkssprache Panjabi niedergeschrieben werden konnten. Die Hymnen des Guru Nanak, die seine Lehre enthalten, bilden den Anfang der Heiligen Schrift der Sihks und später Siri Guru Granth Sahib genannt. Im Sikh-Gottesdienst, bei religiösen Zeremonien wie Geburt, Hochzeit, Tod sind die Granth-Rezitationen und Gebete die einzige gottesdienstliche Handlung. |
Guru Arjun Dev sammelte die heiligen Hymnen der ersten vier Gurus, fügte seine eigenen hinzu und erweiterte diese Sammlung durch Verse aus den Schriften verschiedener hinduistischer, muslimischer und sufischer Heiligen. Diese Kompilation nannte er den Adi Granth (Granth=Buch; Adi Granth=Ur-Granth), die ursprüngliche Heilige Schrift der Sikhs. Sie wurde im Tempel von Amritsar niedergelegt. Durch den Mogulherrscher Jahangir, der in Dehli residierte, wurde die Sikh-Gemeinschaft grausam verfolgt, ihr geistlicher Führer Guru Arjun wurde gefangengenommen. Er starb unter grausamer Folter den Mätyrertod. Es war der Beginn einer über Jahrhunderte andauernden Religionsverfolgung, gegen die die Sikhs sich militärisch organisierten, um ihren Glauben zu verteidigen.
Guru Hargobind, der Sohn des ermordeten fünften Guru Arjun, führte das Tragen eines Schwertes ein, damit die Sikhs ihre religiöse Wahrheit verteidigen konnten.
Guru Gobind Singh war der zehnte und letzte Guru. Er führte den Waffendienst der Gemeinschaft ein, die sich als eine sakrale Kampfesbruderschaft ansieht. "Wenn alle Mittel versagen, dann ist es gerechtfertigt, das Schwert zu ergreifen."
1699 berief er anlässlich des Frühlingsfestes Baisakhi alle Anhänger der Gemeinschaft nach Anandpur. Hier gab er die Gebote bekannt, die bis heute die äußere Form der Sikh-Gemeinschaft bestimmen. Nach ihm sollte kein Guru mehr die geistliche Führerschaft als Nachfolger übernehmen, weil dadurch die Gefahr einer Spaltung und Schwächung der Gemeinschaft bestand. Das Heilige Buch selbst sollte die geistige Führerschaft übernehmen. Mit der Guruwürde versehen, erhielt es den Namen Siri Guru Granth Sahib. Bis heute sehen die Sikhs das Heilige Buch als ihren lebenden Guru an.
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Das Glaubensbekenntnis: Mūlamantra
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Mūlamantra heißt übersetzt "religiöse Grundformel". Es wird, gefolgt vom Japujī, nach dem Aufstehen und dem Bad am frühen Morgen gesprochen.
Ein Gott
Sein Name ist Wahrheit
Er ist der Schöpfer
Er ist die Höchste Wesenheit
Bei Ihm ist keine Angst
Bei Ihm ist keine Feindschaft
Seine Gestalt ist zeitlos
Er stamm aus keinem Schoß
Er ist aus sich selbst -
Durch des Gurus Gnade wird Er erkannt.
(Gurū Nānak, GGS 1)
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Ein Gemeindemitglied mit Turban, einem der fünf Kennzeichen (die fünf K´s) der Sikh-Gemeinschaft
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Die Gemeinschaft empfing am 13.April 1699 ihre Weihe als spirituelle Kampfesbruderschaft. Damit die Zusammengehörigkeit der Mitglieder sichtbar zu erkennen sei, sollten sie fünf Kennzeichen haben:
- Langes Kopf- und Barthaar und einen Turban als Kopfbedeckung (Kes)
- ein kleiner Haarkamm aus Holz für die Haarpflege Kangha)
- ein Armreifen aus Eisen (später Stahl) als Zeichen der Brüderlichkeit (Kara)
- ein Dolch oder Schwert zur Selbstverteidigung (Kripan)
- eine bis dahin nicht übliche locker sitzende Kniehose anstatt des Lendentuches zur erhöhten Mobilität (Katch)
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Da an den Hindu-Familiennamen immer die Kastenzugehörigkeit erkannt wird und damit sofort bei Namensnennung die kastenhierarchische Rangordnung trennend ist, bestimmte Guru Gobind eine Vereinheitlichung der Nachnamen bei den Sikhs. Alle Männer erhielten den Namen Singh (Löwe) und alle Frauen den Nachnamen Kaur (Prinzessin). Die religiösen Pflichten jedes Sikhs sind zweimal täglich ein rituelles Bad, das Morgengebet Japji des Guru Nanak und das Japji des Guru Gobind Singh. Auf diese Weise schuf Guru Gobind die endgültige äußere Form der Sikh-Gemeinschaft.
Literatur
Der Artikel entstammt der Broschüre "Einheit in der Vielheit - Weltreligionen in Berlin" (Autorin: Gabriele Yonan; Erscheinungsjahr: 1993, S.92ff.) und durfte mit Genehmigung der damaligen Ausländerbeauftragten von Berlin (Herausgeberin der Broschüre) in Auszügen auf der Webseite von muz-online.de veröffentlicht werden.
Der Original-Text wurde von muz-online.de an einigen Stellen leicht modifiziert und wird von Zeit zu Zeit aktualisiert.
- Zu Gabriele Yonan:
G.Y. wurde 1998 aufgrund fehlerhafter Selbstbezeichnungen von Seiten der FU-Berlin verwarnt. Mehr zu ihrer Person bei: manfred-gebhard.de/Yonan.
www-Links
Sikh - Forum Deutschland
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Sikh-Spiritualität: Baba Nand Singh Sahib
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