Koltan ist ein Rohstoff, der für die Herstellung von Leiterplatten u.a. für Mobiltelefone und Spielkonsolen relevant ist. Lange Zeit war Koltan ein Hauptfaktor für die Finanzierung des Krieges in der Demokratischen Republik Kongo (vormals Zaire), der seit 1996 vor allem in den Provinzen Nord- und Südkivu und im Ituri den Alltag bestimmt. Es wird von mehr als drei Millionen Toten ausgegangen, die durch direkte Gewalt oder an den Folgen des Krieges, durch Unterernährung, fehlende medizinische Versorgung, Vergewaltigung, Vertreibung starben. Am Beispiel von Koltan lässt sich besonders deutlich darstellen, wie sich die Verantwortungslosigkeit von Unternehmern zum Motor von massiven Menschenrechtsverletzungen machen lässt.
Aus: PM, 06/2009, S.48
»[...] dieses eigentlich nur in Fachkreisen bekannte Eisenerz ermöglicht es, immer kleinere, leistungsfähigere und zuverlässigere Mobiltelefone, Laptops und Spielekonsolen zu bauen. Es steckt auch in Hörgeräten und Herzschrittmachern, in Airbags, ABS und Navigationsgeräten, chirurgischen Instrumenten und Digitalkameras. Überall in der Mikroelektronik wird es für die Produktion von kleinsten Kondensatoren mit hoher elektrischer Kapazität verwendet. [...]«
Die DR Kongo ist eines der ressourcenreichsten Länder Afrikas, dennoch steht sie auf Rang 168 von 177 des Human Development Index. Von mehr als 50 Millionen Einwohnern der DR Kongo leben mehr als 20 Millionen in den Konfliktgebieten des Ostens. Dort ist der Staat mit seiner Infrastruktur, die für Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Rechtsstaatlichkeit und Steuerregulierungen zuständig wäre, seit über 30 Jahren abwesend. Aus diesem Machtvakuum heraus ist es für bewaffnete Gruppierungen ein Leichtes, lokale Gebiete zu kontrollieren. Dies kommt allerdings nicht der Bevölkerung zu Gute, sondern steht in einer Tradition der Selbstbereicherung, wie sie seit der Regierung von Mobutu Sese Seko für die DR Kongo zur Normalität geworden ist.
Bewaffnete Gruppierungen kontrollieren Minen, in denen teilweise unorganisierte Schürfer, teilweise zur Arbeit gezwungene Menschen arbeiten. Erze wie Tantal und Cassi-terite, die als "Koltan" bezeichneten Grundstoffe für Festplatten und Mobiltelefone, werden mit Millionenprofiten jährlich ausgebeutet. Die lokale Bevölkerung oder gar der Staatshaushalt profitieren nur gering von diesen Rohstoffen.
Neben dem illegalen Transfer der Rohstoffe in Nachbarländer, von denen aus sie auf dem Weltmarkt verkauft werden, sind es auch internationale Unternehmen, die in diesem rechtlosen Zustand an schnellem Profit interessiert sind. Der globalisierte Markt und seine Unternehmen billigen die Gewalt gegen die Bevölkerung, den illegalen Transfer, die Kontrolle der Minen durch bewaffnete Milizen und Zwangs- und Kinderarbeit. Sie verhelfen durch die direkte Abwicklung der Verkäufe über Anführer bewaffneter Gruppierungen als Mittelsmänner diesen zur Finanzierung ihrer Waffeneinkäufe.
Für die Konsumenten, also uns Handybenutzer, ist der Kongo weit weg. Dabei sind die Wege, die das Koltan nimmt, keineswegs umständlich. Koltan hat einen ungeheuren Boom erfahren, weil immer mehr Menschen auf der Welt immer mehr Handys benutzen. Auch der Verkauf und die Möglichkeit, den Rohstoff illegal an den Steuerbehörden vorbei aus dem Land zu schaffen, wurde per Handy geregelt. Trotz enormer Armut funktioniert das Telekommunikationsnetz im Osten der DR Kongo besser als in der Uckermark. Trotz des Krieges ist es kein Problem für die Kriegsherren, vor Ort per Handy ein Geschäft mit einem Einkäufer in der Ukraine oder Goslar auszuhandeln.
Aus: PM, 06/2009, S.48 f. Koltan, bzw. Columbit-Tantalit (der volle Namen für Coltan), wird aus dem Metall Tantal gewonnen. »[...] "Tantal ist doppelt so dicht und haltbar wie Stahl. Es ist doppelt so biegsam und übertrifft die meisten feuerfesten Metalle in der Verarbeitung und Schweißeignung". [...]« Derzeit gebe es kein besseres Material. 80 Prozent der weltweiten Coltan-Vorkommen, so wird geschätzt, liegen in der Demokratischen Republik Kongo. »[...] Das Land könnte das reichste Afrikas sein, denn neben Coltan gibt es dort auch bedeutende Vorkommen an Diamanten, Erdöl, Uran, Kobalt, Kupfer und Edelhölzern. Doch tatsächlich ist die DR Kongo eines der ärmsten und gefährlichsten Länder der Welt. Die Bevölkerung wird ausgebeutet, die Profite bleiben einer kleinen Elite vorbehalten. [...]« Von der Ausbeutung des Kongo profitieren Dutzende westliche Firmen - »[...] davon 21 Unternehmen in Belgien, zwölf aus Großbritannien, acht aus den USA und fünf aus Deutschland. [...] "Etwa 30 Prozent der Arbeiter in der Coltan-Förderung sind Kinder und Jugendliche" [...] In den vergangenen zehn Jahren seien mehr als zwei Millionen Kinder in den Coltan-Minen umgekommen. [...]« Im Zusammenhang mit dem Koltan-Handel wird immer wieder die indischstämmige Kongolesin Aziza Gulamali Kulsum genannt, eine berüchtigte Waffen- und Goldhändlerin.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich seit dem Jahr 2000 mit diesem menschenverachtenden Kreislauf beschäftigt und durch ein Expertenkomitee mehrere Berichte erstellen lassen, in denen 157 internationale Einzelunternehmen, Nachbarländer und Einzelpersonen aus der Regierung als Verantwortliche benannt sind. Bis auf wenige Ausnahmen wurde gegen keine der Firmen gerichtlich vorgegangen. Das Volumen der Gewinne aus kongolesischen Rohstoffen, die durch Nachbarländer erwirtschaftet wurden, wird seit 1998 auf mehr als 5 Milliarden Dollar geschätzt.
Am Beispiel Koltan lässt sich ein brutales, menschenverachtendes Laissez-faire der Wirtschaft nachzeichnen. Unternehmen, die vor Ort direkt oder indirekt mit Kriegsherren kooperieren, denen ungeheure Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen wurden, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Straflösigkeit kann nicht als Grundlage für profitable Wirtschaft gelten. Bislang gibt es allerdings kein verbindliches Instrument, das Unternehmen eine direkte Beteiligung an Gewaltökonomien gerichtlich verweigern könnte. Es gibt auch kein Instrument, das verbindlich dafür eingesetzt wird, dass Unternehmertätigkeit an Menschenrechten gemessen werden und sich pro-aktiv darum zu kümmern hätten, dass sie eben nicht Profite aus Gewaltökonomien schöpfen.
Annette Weber
Annette Weber ist Koordinatorin des Ökumenischen Netzes Zentralafrika, Berlin.